kareh.de "Butterfahrt ins Ungewisse..." www test 27.12.2005

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"Sie wird Ihnen fehlen...."

von Nigel Barley "Tanz ums Grab" dtv ISBN3-423-12795-3

"Wissen Sie , was das ist?" fragte mein Gastgeber, streckte die Hand aus und tätschelte ein großes Bündel in einer Ecke seines Wohnzimmers. Es sah aus wie ein Kleiderbündel, das man für das Rote Kreuz zurechtgelegt und dann Monate lang nicht weggebracht hatte. Ein Kind kurvte darum herum und machte Motorengeräusche. "Es ist meine Großmutter." Bevor das Fernsehen Einzug hielt, gehörte zu jedem ordentlichen Haus in der westlichen Welt eine Oma, die bei den Kindern saß und sie mit schwachsinnigen Weisheiten bombardierte. Bei den Toraja gibt es in vielen Häusern nach wie vor eine Oma, aber unter Umständen ist sie tod. Der Leichnam ist in ungeheure Mengen saugfähigen Stoffes eingehüllt, der die Verwesungssäfte aufnimmt. Der abstoßende Gestank verliert sich gleichweise rasch. Manche modernen Toraja tricksen und benutzen Formalin, um den Verwesungsprozeß zu verlangsamen, während die Familie die nötigen Gelder beschafft, damit zur nächsten Phase der Bestattung übergegangen werden kann. Täglich wird ein Tablett mit Essen und Trinken auf dem kippligen Bündel deponiert. "Wollen Sie Ihr nicht Guten Tag sagen ? " "Nett, Sie kennenzulernen, Großmama!" Eine passende Geste zu finden war schwierig: ein Händedruck war nicht möglich, und das Bündel zu tätscheln hätte plump vertraulich gewirkt. "Wah, so ist es gut." "Wie lange ist Sie schon tod?" Er sah mich entsetzt an, "So etwas sagen wir nicht. Sie "schläft" oder "hat Kopfschmerzen". Sie stirbt erst, wenn sie das Haus verläßt. Sie schläft seit drei Jahren." Er streckte den Arm aus und nahm einen riesigen Kassettenrecorder herunter, um ein bißchen Musik zu machen. Die Kassetten standen, wie ich feststellte, in alphabetischer Ordnung auf dem Leichnam, der ein gutes Regal abgab.

"Sie wird Ihnen fehlen, wenn sie stirbt", sagte ich.

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